Freitag, 15. Januar 2010

Betriebsstörung am Ettlinger Tor

Auf dem Heiweg von der Uni gegen 18.45 Uhr, an der ich im Labor heute sowieso schon mehr Zeit verbracht hatte als geplant, wollte ich ganz normal zur S-Bahn. An einer uninahen Haltestelle, an der ich vorbeilief prangte mir auf der Anzeigetafel dann entgegen, dass wegen einer "Betriebsstörung am Ettlinger Tor" diverse Bahnen auf zwei anderen Wegen um diese Haltestelle herum umgeleitet wurden. Da dachte ich mir noch nichts besonderes, denn Betriebsstörungen kommen bei den Karlsruher S-Bahnen alle paar Tage vor, wobei meistens einfach eine Bahn liegen bleibt, oder irgendein kleinerer Unfall passiert (angeditschtes Heck eines unachtsamen Autos o.ä.), der nach kleinen Lackschadenbetrachtungen schnell beiseite geräumt sein kann. Mit eben so einer Kleinigkeit rechnete ich und lief weiter zur nächsten Haltestelle am Marktplatz, an der ich in meine passende Bahnlinie einsteigen wollte. Dort prangte mir dann ein "Haltestelle aufgehoben, Schienenersatzverkehr bis zum HBF eingerichtet" entgegen. An etwas größeres dachte ich dennoch noch nicht.

An sich fand ich es dann sogar ganz amüsant, in einen Bus einzusteigen, der mitten über den Marktplatz fuhr, also voll durch die Fußgängerzone. So etwas "darf" man schließlich sonst auch nicht jeden Tag, es sei denn man hat Lust auf ein ganz fettes Knöllchen.

Das Lachen verging mir dann sehr schnell, als der Bus dann am Ettlinger Tor vorbeifuhr und dort ein enormes Aufgebot an Feuerwehrfahrzeugen und Helfern um eine Bahn herumstand, deren vorderste zwei oder drei Meter komplett zersplittert waren und von der Feuerwehr gerade in kleine Stücke zerlegt wurden. Was diesen enormen Schaden verursacht hatte, war nicht mehr zu erkennen, aber es war offensichtlich alles andere als eine Lappalie, was da passiert war.

Später prangte mir dann auch in den ARD-Fernsehnachrichten entgegen, was da geschehen war. Morgens um 11.30 waren zwei Bahnen frontal zusammengestoßen, mit 27 Verletzten, darunter 6 schwer...
Hier ein Link für alle, die es in den Medien noch nicht mitbekommen haben:
http://www.welt.de/vermischtes/article5853686/Suche-nach-Gruenden-fuer-den-Strassenbahn-Unfall.html

Als ich kurz vor 19 Uhr, also über sieben Stunden später, an der Unfallstelle vorbeigekommen war, war eine der beiden Bahnen bereits nicht mehr da und das volle Ausmaß des Unfalls deshalb nicht abzuschätzen gewesen. Schon irgendwie schlimm das Ganze.

Vor allem darf ich aber nicht daran denken, dass ich selbst um 10.50 Uhr genau an dieser Stelle mit einer Bahn auf dem Weg zur Uni vorbeigefahren bin. Meine nächstmögliche Bahn die ich hätte zur Uni nehmen können, wäre 40 Minuten später gefahren. Gut möglich, dass genau dieses die Unfallbahn war. Bezeichnenderweise hatte ich heute morgen zum ersten Mal in dieser Woche kein Problem aus dem Bett zu kommen und konnte sogar auf den Kaffee verzichten. Hätte ich mich träge noch ein paarmal mehr im Bett umgedreht wie die drei Tage zuvor, dann wäre ich vielleicht auch eines der Unfallopfer gewesen.
Vielleicht mache ich mir aber auch zu viele Gedanken und die Unfallbahn war eine ganz andere Linie und ich hätte sie so oder so gar nicht erwischen können... es fahren immerhin zwei verschiedene Bahnlinien dieses Bautyps auf dieser Strecke, und beide fahren immer zur etwa gleichen Zeit an dieser Haltestelle vorbei. Von daher kann es auch sein, dass die Unfallbahn keine S1/S11 war (meine Linie), sondern eine S4/S41. Das kann man an den Unfallbildern leider nicht ablesen.

Schon erschreckend, wie knapp man an einer unschönen anonymen Erwähnung als Opferanzahl in den meistgesehenen deutschen Medien vorbeischrammen kann und dann auch noch den ganzen Tag über von so einem Ereignis nichts erfährt, obwohl man nur eine minimale Strecke von etwa anderthalb Kilometern davon entfernt in einem Labor sitzt und wartet bis schier endlos erscheinende Messungen dort endlich ihr Ende finden.

So, und nun gehe ich schleunigst ins Bett, morgen heißts wieder früh aufstehen, damit ich meinen Zahnarzttermin nicht verpasse.

Ein Schlusswort aber will ich mir nicht verkneifen, um den Bogen zur Überschrift zu schlagen: Die simple Bezeichnung eines solch enormen Unfalls als "Betriebsstörung" halte ich doch schon für recht sarkastisch. Das klingt so nebensächlich und technisch, dass es einfach kein angemessenes Wort ist, um einen Unfall mit mehreren Schwerverletzten zu beschreiben!

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