Mittwoch, 6. Oktober 2010

Kein Platz für Trauer

Ich weiß ja nicht, was ich erschreckender finden soll.

ENTWEDER, dass ich auf dem Heimweg an einer Fußgängerbrücke über einen tiefen Graben vor der Stadtmauer eine Trauerstelle mit vielen Blumen, Kerzen, Bildern, von Freunden niedergeschriebenen Abschiedsworten und sogar dem Namen des Verstorbenen (17-Jährigen) finde - alles deutet auf einen Selbstmord hin.

ODER, dass sich inmitten dieser Trauerstelle auch ein deutlich sichtbarer aufgehängter Brief der Angehörigen befindet, in dem diese darum bitten, keine weiteren Abschiedsworte mehr auf den Eckpfeiler der Brücke zu schreiben, weil sich das Ordnungsamt schon bei der Trauerfamilie deswegen beschwert hat und die Familie die anstehende Reinigung der Brücke bezahlen muss... (Das Ordnungsamt war wohl sehr schnell, denn der Tod des Jungen ist laut den Angaben an der Trauerstelle erst drei Tage vergangen gewesen, als ich dort vorbeigekommen bin.)

So sehr ich es an sich ja begrüße, wenn öffentliche Schmierereien nicht zugelassen werden: da würden mir spontan in der Stadt wesentlich schlimmere "Schmierereien" einfallen, die man entfernen könnte (und die seit Jahren unentfernt sind). Von Feingefühl für die Trauer hat in diesem Ordnungsamt wohl noch keiner etwas gehört...

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