Mittwoch, 17. Februar 2010

Das hält der stärkste Fuchs nicht aus

Seit dieser Woche habe ich Semesterferien (was man bei meinem Studiengang eigentlich kaum so nennen kann) und bin dementsprechend gestern mit dem Zug von Karlsruhe heimgefahren in meine schwäbische Heimat.

In Pforzheim stieg eine ältere Frau zu, mit Pelzmantel und einem Tier um den Hals (ich nenne es einfach mal Fuchs, auch wenn es wahrscheinlich ganz was anderes war), sie war ein wenig hektisch und setzte sich mir gegenüber. Auf der anderen Seite des Gangs saßen zwei jüngere Mädels, die gerade irgendwelche Haribo aßen. Als die Frau dann direkt nach fünf Sekunden sitzen wieder aufstand, zu den Mädels rüberging und fragte, ob sie auch eins haben dürfe, habe ich mich schon ein wenig gewundert. Das fand ich doch ein wenig unverschämt irgendwie. Zumal sowas zu einer Frau in dieser Aufmachung nicht so ganz passte.

Das war aber noch das harmloseste, denn danach fragte sie mich: "Hier im Zug kann man keine Tickets lösen, oder?", was ich natürlich verneinte. Das ist aber schon seit langer Zeit so und man könnte das auch wissen, bzw. sich vor Fahrtantritt ein wenig informieren.

Keine zwei Minuten, nachdem sie zugestiegen war, kam auch prompt der Schaffner - und sie hatte natürlich kein Ticket. Und was dann in den folgenden 5 Minuten für ein Wortwechsel stattfand... ich muss es kürzen, sonst wirds hier viel zu lang und detailreich, aber ich versuche mal das Wesentliche sinngemäß wiederzugeben.

  "Geben Sie mir bitte ihren Ausweis?" (Sie händigt ihm daraufhin einen Reisepass aus, er kontrolliert etc, zückt sein Gerät etc, ppp.)
  "Bin ich da jetzt im System erfasst? Das wollte ich aber nicht. Ich..."
  "Nur die Ruhe, jetzt schauen wir erstmal ganz ruhig. Noch sind sie nirgends erfasst, ich weiß ja noch gar nix genaueres von Ihnen. Wo sind Sie denn zugestiegen?"
  "In Königsbach."
  "Wie? Das kann aber nicht sein, da kommt dieser Zug gar nicht durch."
  "Doch, da bin ich eingestiegen. Natürlich."
  "Nein, da kommt der Zug nicht durch. Sind Sie umgestiegen?"
  "Ach so meinen Sie das. Ja in Pforzheim bin ich umgestiegen. Hier in den Zug. Kann ich jetzt bei Ihnen ein Ticket lösen? Nach Tübingen."
  "Nein, das Ticket hätten Sie schon vor Fahrtantritt am Bahnhof lösen müssen. In Königsbach. Sie wohnen in Königsbach?"
  "Ja."
  "Gut, das steht ja auch so in ihrem Pass hier. XY-Straße 2."
  "Genau. Aber in Königsbach konnte man kein Ticket lösen. Der Automat hat nur Hartgeld genommen, kein Papiergeld. Warum kann man hier im Zug keins mehr lösen? Früher ging das doch auch noch. Die Bahn wird auch immer umständlicher und komplizierter." (Anmerkung: Ich würde ja auch zunächst mal über die Bahn schimpfen, wenn ich gerade schwarzfahre, kommt bestimmt sehr gut an...)
  "Was kostet denn das Ticket von Königsbach nach Tübingen? Und warum haben sie in Pforzheim dann keins gelöst, wenn der Automat in Königsbach kaputt war."
  "Früher hats immer 11,80 Mark gekostet, jetzt weiß ichs nimmer genau. Dass Sie bei der Bahn immer alles so kompliziert machen müssen, ach ist das ein Theater hier. Ich glaube 12,10 kostets jetzt, ein wenig teurer wie früher."
  "Sie meinen Euro?"
  "Ja klar, 12,10 Euro. Und früher immer 11,80 Euro."
  "Ok. Und warum haben Sie denn jetzt kein Ticket in Pforzheim gelöst?"
  "Na, das ging nimmer wegen der Zeit. Der Zug aus Königsbach hatte ja 5 Minuten Verspätung, da konnte ich dann kein Ticket mehr lösen und musste schon hier zum Gleis hetzen." (Persönliche Anmerkung: Unser Zug hatte allerdings in Pforzheim auch schon knapp über 5 Minuten Verspätung, die Frau hatte also mindestens soviel Zeit zum Umsteigen, wie wenn alles nach Plan gelaufen wäre...)
  "So, Sie möchten also nach Tübingen. Ich schau jetzt erst mal nach, was das denn kostet." (Er tippt im Gerät rum, sie redet nervös irgendwelche Belanglosigkeiten über ihre Nichte, die Sie in Tübingen besuchen will, wie immer, ein wenig Geschimpfe über die Bahn mit hineingemengt. Der Schaffner wirkt sehr entnervt vom Ganzen...) "Sie sagen, das kostet 12,10 Euro? Das kann aber nicht sein. Allein bis Stuttgart zeigt er mir hier schon einen höheren Betrag an."
  "Haben sie meine Bahncard 50 mit eingerechnet? Achso, das hab ich ihnen ja ganz vergessen zu sagen, dass ich eine Bahncard habe."
  "Das müssen sie mir schon sagen." (Man merkt dem Schaffner an, das er nun echt genug von der Frau hat. Ich kann es ihm nachfühlen, denn mein Buch kann ich so auch nimmer in Ruhe lesen, aber ich amüsiere mich irgendwie auch ein wenig, ob diesen Schauspiels vor meinen Augen) "Ok, ich stelle ihnen hier nun ein Ticket aus von Königsbach nach Stuttgart. Da müssen sie ja sowieso umsteigen Richtung Tübingen und können dann ja da für den Anschlusszug das Ticket am Bahnhof lösen."
  "Nein, stellen Sie mir das Ticket bitte ganz nach Tübingen aus."
  "Das geht nicht, hier im Zug mit diesem System hier kann ich ihnen höchstens ein Ticket bis zur Endstation Stuttgart ausstellen. Weiter geht es mit diesem Gerät hier nicht. Das macht dann 15,... halt nein, Sie haben ja die Bahncard haben Sie gesagt... das macht dann 7,95 Euro." (Interessanterweise wollte er die Bahncard gar nicht sehen und hat das der Frau einfach so geglaubt.)
  "Nein, in Stuttgart kann ich aber nicht nachlösen, da habe ich auch keine Zeit, weil ich ja schnell umsteigen muss. Und ich muss ja nach Tübingen."
  "Das geht hier mit diesem Gerät aber nicht. Das müssen Sie dann eben mit dem Schaffner im nächsten Zug klären. Ich schreibe ihnen dann einfach einen kleinen Vermerk für den Kollegen hier auf das Ticket, was ich ihnen bis Stuttgart jetzt ausstelle."
  "Ja aber gilt das dann auch in dem Anschlusszug? Nicht dass mich der Schaffner da ohne Ticket erwischt und im System speichert."
  "Ja drum mach ich da ja einen Vermerk drauf... ach wissen Sie was. Sie geben mir jetzt einfach die 12,10 Euro, die es laut Ihnen ja kostet und dann notiere ich das alles auf dem Ticket hier und stempel das noch ab und unterschreibe, und dann können Sie damit bis Tübingen fahren."
  "Und das gilt dann. Sagen Sie mir doch Ihren Namen, damit ich das dem Schaffner im anderen Zug auch sagen kann." (Er druckt ein Ticket aus, schreibt etwas darauf).
  "So, da steht jetzt alles drauf und ich habe unterschrieben."
  "Und da steht auch Ihr Name drauf?"
  "Ja, ich sage doch ich habe unterschrieben. Da! Das macht dann 12,10 Euro."
  "Aber hier steht doch 7,95 Euro."
  "Sie müssen doch nach Tübingen und sagen selbst, dass es 12,10 kostet, und das was auf dem Ticket gedruckt ist, ist der Preis bis Stuttgart."
  "Aber warum haben Sie dann nicht 12,10 Euro draufgedruckt?"
  "Das geht nicht! Hab ich ihnen doch schon gesagt, dass ich hier nur Tickets bis Stuttgart ausdrucken kann."
  "Ok... hier." (Sie drückt ihm 10 Euro in die Hand.)
  "Nein. 12,10 Euro bis Tübingen!"
  "Ach ja stimmt. Entschuldigung ich bin so durcheinander wegen dem verspäteten Zug. Und dann ist das hier auch noch alles so kompliziert mit dieser Bahn." (Sie gibt ihm endlich genug Geld. Er kassiert, sie hakt nochmal nach, ob das Ticket auch wirklich gilt und ärgert sich nochmal ein wenig. Der Schaffner geht weiter und gibt im Weiterlaufen ein grummelndes und extrem entnervtes "Das ist ja echt nicht zum aushalten hier" von sich.)

Kaum ist der Schaffner weg, meint sie zu mir, der ich ihr ja gegenübersitze: "So ein Durcheinander. Dass die das bei der Bahn auch alles so kompliziert machen mussten. Früher war das alles noch viel einfacher." (Ich nicke nur höflich und lese weiter, denn auf ein Gespräch mit so jemandem habe ich echt keine Lust) Nach einer kurzen Pause geht es weiter in einem amüsierten humorvollen Unterton, während Sie mit ihrer Hand an dem Fuchs um ihren Hals herumfummelt: "Schade, dass hier keine Kamera da war. Das hätte man echt Filmen müssen. So ein Durcheinander... Oh, was ist denn das hier? Ach je, jetzt ist dem doch das Pfötle abgebrochen. Na sowas." Und daraufhin hält sie eine abgebrochene Tierpfote in der Hand, welche bei so viel Hektik und Chaos wohl von ihrem Halsbehang abgebrochen war.

Wäre ich eine Fuchspfote und müsste so jemandem um den Hals hängen - ich würde auch schleunigst das Weite suchen.

Was lernen wir nun daraus: Wenn man als Student aus Versehen im Zug schwarzfährt (ist mir mal tatsächlich durch einen dummen Zufall passiert), es einem Leid tut und man dem Schaffner gegenüber sehr höflich und reuig ist, dann wird man zwar nicht in der Schwarzfahrkartei der Bahn erfasst, sondern kulant behandelt - allerdings sieht die Kulanz so aus, dass man ein Ticket für die komplette Strecke selbst am Endbahnhof nachkaufen muss, zum im Bahnhof stehenden Zug zurücklaufen muss und dem dort wartenden Schaffner das selbst nachgekaufte Ticket präsentieren muss. Ob man irgendwelche Anschlusszüge deswegen verpasst ist dem Schaffner egal (das ist mir deswegen passiert, habe ich dem Schaffner auch gesagt). Ich vermute, wäre ich nicht so enorm höflich und reuig gewesen, hätte ich gar nicht erst die Chance bekommen, noch nachzulösen, sondern wäre direkt im System erfasst worden.
Ist man hingegegen als ca. 65jährige Frau mit Pelzmantel unterwegs, kann man es sich problemlos erlauben schwarzzufahren und beim erwischt werden über die Bahn pöbeln, sich dumm stellen um möglichst wenig zu zahlen, ein Ticket im Zug nachlösen, was der Schaffner rein vom System her nicht einmal technisch ausstellen kann, man kann den Preis selbst sagen und er wird nicht einmal überprüft. Ebensowenig, wie die vorgegebene Bahncard 50 überprüft wird. Ebenso kann man sich naiv geben und so tun als wisse man nicht, dass man im Zug keine Tickets lösen kann, sondern nur am Bahnhof, obwohl das seit Jahren schon so ist. Und wer eine Bahncard 50 besitzt und Fahrpreise auswendig kennt (bzw. so tut als ob), fährt gewiss oft genug Bahn um so etwas zu wissen oder mitzubekommen.
Wirklich gerecht ist sowas auch nicht. Zumal man dem Schaffner angemerkt hat, wie ihm beinahe der Kragen geplatzt ist. Umso mehr verwundert, dass er die Frau nicht einfach irgendwann im Verlauf des Gesprächs wegen Schwarzfahrens ins System notiert hat und sie dann in Stuttgart auf dem Bahnhof hätte für den Anschlusszug nachlösen lassen.

Und nun entschuldige ich mich, dass ich hier so einen ellenlangen Beitrag über so eine Nebensächlichkeit geschrieben habe (Keine Angst: Meine nächsten Blogeinträge werden gewiss wieder kürzer). Korrekturlesen werde ich das ganze nun auch nicht mehr, weil es verdammt spät geworden ist. Für eventuelle Rechtschreib- oder sonstige Fehler also bitte ich um Nachsicht.

2 Kommentare:

Hans-Georg hat gesagt…

Wenn es der Inhalt verlangt, sind auch längere Blogbeiträge zu verkraften. Also weiter so.
Zum Thema Bahn:
Es gibt halt solche und solche Zugbegleiter.
Ein Kollege erzählte gerade gestern, dass eine Reisende mit Kind aus einem fast leeren Wagon gewiesen wurde weil ihr Ticket für den Zug nicht gültig war. Aufgrund einer Verspätung hatte sie den gebuchten Zug nicht bekommen. Dieser Zugbegleiter würde sicher auch junge Menschen ohne Ticket nachts bei minus 15 Grad aus dem Zug werfen.

Frank hat gesagt…

Zugbegleiter können schon unangenehme Zeitgenossen sein. Aber in diesem Fall hat sich eben eine viel zu nervige Frau mit einem meiner Meinung nach zu kulanten Zugbegleiter gepaart. Das war den langen Blogeintrag dann doch wert.

Im Zweifelsfall aber ist zu kulant besser als zu hart, siehe die Sache mit den -15°C, die ja auch durch die Medien ging...

 

kostenloser Counter